Das Ganze ist mehr als die Summe aller Teile (für Occupy the World)

 

 Ich hab nichts mehr. Tut mir leid! Und die Erde? Seit 1970 warnen die Menschen die Menschen, dass wir auf einem Planeten leben, der nicht für allezeit genug für alle hat. Diese Einsicht ist so simpel wie die des Todes. Daran liegt es wohl, dass wir nur dann an sie denken, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Die Menschheit wächst. Das Wasser wird knapp. Das Öl wird knapp, aber wer braucht das Öl schon. Die Nahrung wird knapp. Es gibt schon sehr viele pfiffige Kapitalisten, die diese Knappheit zu Profiten umwandeln. Dabei hilft ihnen ein internationales Geflecht – oder sollen wir Netzwerk nennen – von Politik und Gesetzeskraft: Kurz sie melden Patente auf Nahrungsmittel an, kaufen Land in korrupten Staaten auf und verkaufen Saatgut, aus dem die Einwegkartoffel wächst. Schöne Neue Welt. Und das ist nur ein Beispiel unter vielen, wie die Politik das Privateigentum schützt: mit ihrem Gewaltmonopol und ihren Richtern, die angeblich Recht im Namen des Volkes sprechen. Alles demokratisch hervorgebracht, versteht sich. Einfacher geht es nicht. Ich würde vorschlagen, diese Spielchen nicht hier auf der Erde zu machen. Kauft doch Planeten und stellt sie unter Patentschutz, damit schadet ihr lebendigen Wesen auf der Erde, zu dem der Mensch nun einmal auch gehört, in keiner Weise. Wenn zu viel Geld da ist, das nicht mehr richtig gewinnbringend angelegt werden kann, dann kann es verbrannt werden, damit nicht mehr so viel vorhanden ist, oder man verschenkt es, damit die anderen es sinnvoll verwenden können oder man lässt alles beim Alten und wartet auf den großen Reset des Architekten, der leider den Fehler in der Matrix nur derart wieder beheben kann. Betriebssystemabsturz? Ja, hatte die Menschheit aber schon. Aber so funktioniert das Ganze nicht. Das Ganze ist eher außer Rand und Band. Das Ganze ist eben Kojanisquatsi und das schon seit einigen Jahren und dasjenige, worauf das Ganze seinen Halt erfährt, hat nicht mehr viel. Ausverkauft. Sucht eure Rohstoffe im Müll, mag der ein oder andere dann sagen. Den Müll habt ihr damals nach Afrika gekarrt und dort blieb er liegen, vergiftete die Erde, machte das Land unbewohnbar wie den Mond. Doch schon haben die Pfiffigen die neuen Rohstofflager erkannt: sie suchen nach Gold im Müll, nach den Seltenen Erden im Müll, sie suchen sich im Müll. Die Materie ist konstant, die Ausbeutung ist konstant. Denn auch hier gilt der Materieerhaltungssatz, der seit Einstein nur eine Umformulierung des Energieerhaltungssatzes ist. Das Ganze, so unvorstellbar für den Einzelnen wie er es für sich ist. Und schon gibt es wieder einige, die die Hoffnung auf eine friedliche Welt noch nicht verloren haben. Die mit Effizienz, Authentizität und Gewaltlosigkeit sich auf den Weg machen. Sie wissen, dass das Ganze nur aus den Quanten der Gesellschaft besteht, die miteinander verschränkt kommunizieren. Sie wissen, dass das Unten dem Oben Halt gewährt, aber das Unten ist eben überlastet, unsicher, bequem, faul oder wie auch immer. Das Unten ist das Unten und das Oben ist das Oben, aber wer will, dass es so bleibt, der will nicht, dass die Erde bleibt. Die Erde ist unser aller Unten und wenn wir die verlieren, dann hat das Ganzen keinen Halt mehr, alles, ja alles stürzt ins bodenlose. Gerechte Strafe? Vielleicht, weil die Macht so eklig ist. Aber nicht alles ist Macht. Die Macht ist die Kraft, die das Ganze zusammenhält? So verhält es sich vielleicht auch mit der Menschheit. Was ist das geistige Unten, die geistige Erde der Menschheit? Der Streit, die Versöhnung, die Gewalt, der Friede, der Hass, die Liebe? Was ist es? Verdammt, darauf muss es doch eine Antwort geben! Die Menschheit ist einfach ein Teil eines großen Plans. Aber wie sieht der aus? Ist es ein Geschäft mit dem Teufel? Der Teufel ist eine ehrliche Haut, wenn es um Geschäfte geht. Der Teufel wird nicht wortbrüchig, wie der Mensch, der heute etwas sagt und schon morgen etwas anderes tut und sagt. Mit dem Teufel kann jeder gute Geschäfte machen, aber er verlangt Übermenschliches. Das ist der Pferdefuß. Das ist der Hacken an der Sache. Welches Geschäft hat das Ganze mit dem Teufel geschlossen? Soll sich der melden, der es weiß, ich weiß es nicht. Das Ganze sind wir und wir sind auch die Kraft, die uns zusammenhält. Geduldete Kraft bis zu einem Punkt nur. Dann fällt es zusammen und die Teile versuchen sich erneut zu gruppieren und erneut zu verhandeln, bis die neue Macht entsteht. Wir sind es nicht, ich und du sind es, nein wir und wir drehen und drehen uns im Kreis, weil wir nichts wollen oder etwas wollen aber nicht können oder etwas können aber nicht wollen also am Besten wünschen wir es uns. Da ist dann immer jemand, der die Wünsche erfüllt. Der Vater, der den Weihnachtswunsch des Kindes erfüllt, oder die Mutter. Die Kanzlerin, die die Wünsche der Wirtschaft erfüllt oder umgekehrt. Die Menschheit, die die Wünsche Gottes erfüllen soll oder umgekehrt. Das Ganze ist eben doch nur eine Wünsch-Dir-Was-Veranstaltung, einfach unbedeutend für das Unten, denn das wird auch dann noch sein, wenn das Ganze nicht mehr ist, damit ein neues Ganzes entstehen kann. Ich weiß nicht wie es aussieht, aber es wird vielleicht mit dem Unten besser umgehen, als das Oben jetzt. Dann wird das Unten an das Oben vermelden: Danke, genau das brauchte ich jetzt, und das Oben wird nach unten sagen: Bitte, hab ich doch gern getan. Die Occupy-Bewegung beginnt erst. Sie ist das Unten und auf dem Boden wächst viel. Nehmt euch das, was ihr braucht und gebt die Hoffnung nicht auf. Werdet arm, so wie Franziskus, denn Armut schützt nicht vor Kälte aber vor Korruption.

 Baut euch eine Zeltstadt, denn nur dort habt ihr, was ihr zum täglichen Leben braucht, das Essen, das Trinken und die menschliche Nähe. Echte Demokratie kann es nur in kleinen Einheiten geben, so wie eben echte ökologische Energie. Aber die kleinen Einheiten können nur dann überleben, wenn sie vom Ganzen getragen werden. Dahin ist es ein langer Weg, der sicherlich nicht mit kapitalistischen Gewinnoptimierungsstrategien zu verwirklichen ist. Das Ende des Wachstums ist in Sicht, ist damit aber schon das Ende des Kapitalismus in Sicht? Nein, der Mensch lässt sich genauso als Rohstoffquelle ausbeuten, wie die Erde oder andere Lebewesen. Die ethischen Widerstände, mit denen eine solche Annäherung verbunden ist, können nur durch Zynismus oder durch Kriege überwunden werden. Das Leben hat unter der Diktatur des Kapitals seine Würde verloren. Gegen Diktaturen hilft nur Demokratie oder besser: die Herrschaft des Volkes. Wenn die Diktatoren selbst Menschen sind, dann mag das sein. Aber wie verhält es sich, wenn die Diktatur eine Wirtschaftssystem ist, hinter das sich die Menschen verstecken können, die bestimmen wollen, was ganze Völker zu machen haben? Ihr sagt: In einer echten Demokratie, kann sich keiner mehr verstecken, denn er muss authentisch sein. Ich sage: Selbst in einer kleinen Gruppe ist es möglich, einen Agenten zu haben. Ihr sagt: Alles über das Internet öffentlich zu machen, ist unser Schutz. Ich sage: Das Internet vergisst nur dann, wenn es nicht mehr vorhanden ist. Das Internet ist nur eine Weiterentwicklung der STASI: Bequem, einfach und sehr effektiv. Ihr sagt: Ihr seit gewaltfrei. Ich sage: Ja, es ist der einzige Weg heute in Zeiten der Massenvernichtungswaffen etwas zu ändern, und unter Massenvernichtungswaffen verstehe ich nicht nur die nuklearen Bomben auf der Erde. Aber werden sich die da Oben daran halten? Nein, sie werden weiter Kriege führen im Namen der Demokratie, um sich wirtschaftliche Vorteile in Zeiten der knappen Ressourcen zu verschaffen.

 

 Ich hoffe, ihr könnt auf euren Weg die Gesellschaft verändern. Die Gesellschaft braucht jeden Einzelnen, um sich zu verändern und jeder Einzelne braucht die Gesellschaft, damit sich etwas verändert. Vielleicht ist so das Individuum mit dem Ganzen verschränkt. Jeder Einzelne braucht Tapferkeit, Eigensinn und Geduld, um mit Hermann Hesse zu sprechen. Denn wer will, dass die Welt so ist, wie sie ist, will nicht dass sie ist, um mit Erich Fried zu sprechen. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit (Solidarität) ist der Kitt jeder Gesellschaft. Daran glaube ich! Erst dann kann man die echte Demokratie verwirklichen. Aber wir sind meilenweit davon entfernt. Die Occupy Bewegung hat sich viel vorgenommen. David gegen Goliath? Nein, dann würde der David sich durchsetzen. Die bürgerliche Gesellschaft ist nicht gescheitert, sie lebt weiter und wird auch in einer anderen Gesellschaft, wie immer die aussehen mag, aufgehoben sein, so wie der Wolf, der die Lämmer bedroht und sich die Erde Untertan machen will. Vielleicht wird es eure Gewaltlosigkeit sein, die ihr der Gewalt des Kapitals entgegensetzt, um echte Demokratie zu verwirklichen. Vielleicht wird es die Hartnäckigkeit eines jeden von euch sein, die eurer Bewegung die nötige Beschleunigung verleiht, um weltweit etwas zu bewegen. Vielleicht? Ich weiß es nicht, es gibt so viele Faktoren, die die Welt verändern können. Doch eins glaube ich zu wissen: Wird es nicht klappen, dann werden die da Oben die bewährten Mittel aus dem Hut zaubern, die wir schon seit dem Beginn der Geschichte der Menschheit kennen und die ich bis zur Klasse 13 noch im Geschichtsunterricht gelernt habe.

© GOO, November 2011

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