Aus der Hüttenwerkstatt
Väterchen Frost / oder: Eine große Kälte ist über die Stadt gekommen
- Geschrieben von: Birgit Ohlsen
Es gab eine Zeit, zu der wir nicht im Traum daran gedacht hätten, einst der weisen Vorsorge unseres Finanzsenators unser Wohlbefinden, vielleicht gar unser Überleben zu verdanken… Zunächst hatten wir uns, dies sei im Nachhinein voller Scham eingestanden, über seine Vorschläge zur Lebensführung seiner weniger begüterten Untertanen noch amüsiert und ihn für eine Art verschrobenen Individualisten gehalten, wie es ihn seit Jahrzehnten in der politischen Landschaft unserer Republik nicht mehr gegeben hatte. Später aber, als wir durch einen unglücklichen Umstand (auf den ich hier aus Datenselbstschutzgründen nicht näher eingehen möchte) selbst nicht mehr umhinkamen, seine uns zunächst eigenartig karg anmutenden Menüvorschläge in die Tat umzusetzen, erkannten wir alsbald die weise Vorausschau eines liebenden Vaters. Recht bald spürten wir an unseren eigenen Leibern, dass die uns von hoher Stelle verordneten Lebenshaltungsregularien ebenso nahrhaft wie unserer körperlichen Gesundheit zuträglich waren: Wir nahmen ab. An Gewicht, wohl gemerkt, denn unser Geist erhellte sich durch Askese, und nie zuvor bedachte eigene Gedanken beflügelten unser bis dato aus (zugegeben) besonders viel ungenutzter Freizeit bestehendes Dasein. Noch besser ging es uns allerdings, als wir die uns so klug durchgerechnete zugestandene Tagesration von Woche zu Woche ebenso klug jeweils um die Hälfte zu rationieren verstehen gelernt hatten. Wenige Tage vor Jahresende, (wir ernährten uns jetzo nurmehr von Haferflocken und einem bis zu zehnmal wieder verwendbaren Beutel Kamillentee), beschlossen wir einstimmig, aus der vermeintlichen Not eine Tugend zu machen und unserem geliebten väterlichen Impulsgeber S. in puncto Kreativität nachzueifern. Selbstverständlich wollten und konnten wir keine seiner Ideen plagiieren, so viel bzw. so wenig verlangte der Respekt vor dem Hohen Herrn sowie unsere immer noch bewahrte Selbstachtung. Von unserem letzten Umzug hatten wir – dafür sind wir der Firma Z. in Berlin-K. heute noch dankbar – einige immer noch gut erhaltene Filzdecken aufbewahrt, die sich nunmehr, mittels einer Schicht kälteisolierender Luftpolsterfolie (eine weitere dankbare Verbeugung in Richtung Kreuzberg!) mit einigen wenigen Handgriffen zu kuttenartigen Umhängen verarbeiten ließen. (Danke, Paul, für die noch recht ordentlich aussehende Nähmaschine vom Sperrmüll in der Wollankstraße!)
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