Wer hartz erfunden?
In der statistischen Scheinwelt geht ein jeder trotz Krankheit zur Arbeit. Arbeit macht gesund und dafür wird viel bezahlt. Die Schweinegrippe hat eine Milliarde verdampfen lassen und die größten Widersacher findet man heute in den eigenen Reihen. Soll dies Ausdruck einer eigens konstruierten Realität aus Cyberwelten sein, in der die Natur nur noch als digitales Bild vorliegt, so lässt sich in diesen Sinnwelten nichts mehr sagen. Die Informationen zerstreuen sich und nichts bleibt mehr übrig als heiße Luft, die als Abwärme in ihrer Umgebung Nebelschwaden erzeugt, weil es inzwischen schon wieder kalt geworden ist.
Auf der anderen Seite wird der Ruf nach Hinterzimmerkommunikation, Heimlichtuerei auf den Prüfstand gestellt, denn in einer solch diffusen Umgebung kommt immer wieder einmal das Bedürfnis auf, Ordnung ins Chaos zu bringen. Der Rechtsstaat basiert auf Überprüfbarkeit, die mit den Gesetzen der Logik vereinbar sein muss und keine Kaffeefahrt ins Blaue ist. Kein Wunder also, wenn man sich so gescholten in die Ecke verzieht. Bloß nichts anmerken lassen! Eine tiefe Verbeugung vor dem Hohen Gericht, so wie es sich gehört und nach der 180 Grad Drehung all denjenigen drohen, die einem das Ganze mit ihrer Sturheit eingebrockt haben. Die Würde des Menschen bemisst sich in diesen Zeiten eben gerade nicht an der Kapitalmenge, die einer einzelnen Person zur Verfügung steht, um sie in der nächsten Eckkneipe zu versaufen.
Zum Glück glauben die Politiker, Rückendeckung vom Hohen Gericht erhalten zu haben, bei dem Vorhaben, die Regelsätze zu kürzen. Die Höhe des Existenzminimums steht schließlich nicht im Grundgesetz – wie sollte es auch anders sein – woraus der Gestaltungsspielraum bei der Bemessung der Regelleistungen durch den Gesetzgeber rein logisch folgt. Den Jubel einiger über die Formulierung: „Zwar erweisen sich diese Beträge im Ergebnis nicht als evident unzureichend“, kann ich allerdings nicht nachvollziehen. Auch hier handelt es sich nur um eine logische Folgerung aus der unzureichenden Methodik der Betragsbemessung durch den Gesetzgeber und sagt somit noch nichts darüber aus, wie niedrig die Leistungen nun für ein menschenwürdiges Leben im Rahmen einer sozialen Marktwirtschaft tatsächlich sein sollen. Aber einen kleinen Hinweis gibt der Lehrer dann doch seinen Schülern: „Auch hat der Gesetzgeber mit dem so genannten Statistikmodell ein grundsätzlich geeignetes Berechnungsverfahren angewandt.“.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ein Richterspruch nur dann noch abschreckenden Charakter für Politiker hat, wenn sie aufgefordert werden, in sehr kurzer Zeit etwas zu tun. Sie gehen dann mutig ans Werk nach dem Motto: Aber hallo! Das ist doch ganz einfach, oder? Die Spielregeln bestimmt der Gesetzgeber! Ihr habt es so gewollt, weniger statt mehr, aber jetzt sogar begründet, nachvollziehbar, methodengerecht und verfassungskonform. Ein Glück, dass die Verfassungsrichter nicht über die Finanzwirtschaft entscheiden mussten.
Da mein Popupblocker nur sehr unzureichend funktioniert, muss ich mich ständig mit Anzeigen herumschlagen, die mir 10 Prozent Rendite und mehr versprechen, wenn ich in Windenergie investiere. Bei Teakholz, das hart und dunkelgoldbraun sein soll, erreicht man schon Renditen von über 12 Prozent. Die Solarenergie schwächelt etwas, weil man sich hier nur mit mageren 6 Prozent begnügen muss. Wie wird das erst werden, wenn das flächendeckende Elektroauto kommt? Die FDP sei eine reine Klientelpartei, so heißt es in den Medien. Doch warum müssen Ökosubventionen dazu missbraucht werden, immer höhere Renditen zu erzielen? Weil DIE GRÜNEN es so gewollt und die SOZIALDEMOKRATEN ihre Vorliebe für den Geldbeutel entdeckt haben? Ach nein, die CDU will Dividenden und Dienstwagen entlasten!
Jetzt ist es aber genug! Die Schweizer machen nicht nur Reklame für ihr brüchiges Bankgeheimnis sondern auch für Bonbons: "Wer hartz erfunden?". Ich glaube, diese Frage kann ich eindeutige beantworten – oder schlägt die Relativitätstheorie mir wieder einmal ein Schnippchen? Ein Klick noch und die Werbung verschwindet vom Bildschirm.
Gerade kommt der Anstaltsleiter rein. Leider ist die Zeit schon um. Seit dem ich hier untergebracht bin, geht es mir besser. Schließlich lerne ich auch etwas. Vielleicht bekomme ich auf dem 1. Arbeitsmarkt einmal ein richtige Anstellung. Am liebsten würde ich Internetrecherchen machen. Dann kann ich mit „copy und paste“ alles neu zusammenstellen. Soll sich lohnen habe ich neulich in einer Zeitung gelesen. Auf meine Frage, wie hoch die Aufwandspauschale für mich als EinEuroJobber ist, wurde mir sofort von der Anstaltsleitung ein Verweis erteilt. Ich sage auch nichts mehr. Möchte mein kleines Paradies hier nicht aufs Spiel setzen. Halte lieber meinen Mund und lege mein Schicksal in die Hände dieser guten Menschen.
© GOO, Feb. 2010