Am 26. Mai 1832 versammelten sich auf dem Schlossberg zu Hambach in der bayerischen Pfalz Burschenschaften, Bauern und Kleinbürger, Handwerker und Bourgeois, Abgeordnete, Schriftsteller und Professoren. Die Begeisterung war groß, umso geringer war der Wille zu handeln. Die doppelte Moral der bürgerlichen Politik bestand darin, sich zum Wortführer des unzufriedenen Volkes zu machen aber ebenso seinen Schutz gegen allzu radikale Forderungen bei den Mächtigen zu suchen.

Georg Büchner und Ludwig Weidig, die Autoren des Hessischen Landboten, waren Individualisten. Büchner, Materialist und Republikaner, fühlte sich den Idealen der französischen Revolution verpflichtet. Er stand im diametralen Gegensatz zu Weidig, der ein christlicher Patriot war. Allerdings konnte Büchner sich auch nicht mit der Idee einiger linker Intellektueller anfreunden, dass die Zukunft der Revolution von einer Handvoll Schriftstellern abhängen sollte. Schriftstellerische Tätigkeit allein konnte niemals den Riss zwischen den gebildeten und ungebildeten Teilen der Gesellschaft überwinden.

Auch der „Hessische Landbote“, der im Juli und im November 1834 in Darmstadt als Flugblatt erschien, ist an diesem Riss in der Gesellschaft gescheitert. Weidig musste seine Autorenschaft mit dem Leben bezahlen, Büchner floh in das benachbarte Frankreich und konnte sich so der Verfolgung durch die Geheimpolizei entziehen.

Während der „Hessische Landbote“ die Machtverhältnisse in Hessen unter die Lupe nahm, müsste der heutige Landbote die Machtverhältnisse des Kapitals unter die Lupe nehmen, das sich als Bühne für seine skrupellose Verdinglichung die gesamte Erde auserkoren hat. Die Verlierer sind die Völker, die Gewinner eine kleine Führungsclique, die nicht müde wird, der Menschheit Willkür als die Freiheit der Märkte zu verkaufen.

In einer Welt, die faule Verhältnisse als Freiheit verpackt, muss jegliche moralische Initiative, die eine Verbesserung der Verhältnisse anstrebt, als zynisch erscheinen. Faule Verhältnisse können nur faule Beziehungen zwischen den Menschen gründen und das Geschenk, das uns die Finanzwirtschaft beschert hat, ist noch lange nicht ausgepackt. Insofern ist es nur logisch, dass die größten Spekulanten, die für ihre Tätigkeit fruchtbaren Boden vorfinden, heute als Visionäre des Kapitals gefeiert werden.

Leider gibt es heute immer noch Unbelehrbare, die sich erstaunt zeigen, wenn sie erfahren, dass der Mensch gierig, faul, zügellos – kurz, mit allen sieben Todsünden ausgestattet ist, die schon seit Beginn der Menschheitsgeschichte bekannt sind. Wie schön ist doch ein System, das menschliche „Tugenden“ belohnt, die nachweislich zum Schaden einer Gattung beitragen und nicht zu ihrer freien Weiterentwicklung, so dass man geneigt ist zu glauben, dass die Menschheit die Zivilisation nur deshalb erfunden hat, um es nur wenigen zu gestatten, nach den Gesetzen des Dschungels zu aasen, eben gerade so vielen, dass das Überleben der Gattung noch garantiert ist.

Friede den Hütten und Krieg den Palästen ist somit vielleicht nur der Beweis einer geschichtlichen Betrachtung von Veränderungen, die man wie folgt zusammenfassen kann: "Wenn wir wollen, daß alles so bleibt, wie es ist, dann ist es nötig, dass sich alles verändert.". Diese Weisheit aus "Il Gattopardo" von Tomasi di Lampedusa spricht der fürstliche Protagonist, der im gleichnamigen Film von Visconti durch Burt Lancaster gespielt wird, in aller Ruhe aus.

[Erste Transposition]

 

Erste Botschaft

Friede den Hütten! Krieg den Pallästen!

 

Im Jahr XXXX siehet es aus, als würde die Bibel Lügen gestraft. Es sieht aus, als hätte Gott die Menschen am 5ten Tage, und das Kapital am 6ten Tage gemacht, und als hätte der Herr zu diesem gesagt: Herrsche über alles Gethier, das auf Erden kriecht, und hätte die Menschen zum Gewürm gezählt. Das Leben des Kapitals ist ein langer Sonntag; die Menschen aber liegen vor ihm wie Dünger auf dem Acker. Der Mensch geht hinter dem Pflug, die Protagonisten des Kapitals aber gehen hinter dem Menschen und treiben ihn mit dem Ochsen am Pflug; der Kapitalismus nimmt das Korn und lässt den Völkern die Stoppeln. Das Leben der Völker ist ein langer Werktag; Fremde verzehren seine Aecker vor seinen Augen, sein Leib ist eine Schwiele, sein Schweiß ist das Salz auf dem Tische der Herrn des Kapitals.

Das Geld ist der Blutzehnte, der vom Leib der Völker genommen wird. Die Menschen auf der Welt schwitzen, stöhnen und hungern dafür. Im Namen des Kapitalismus werden sie erpresst, und die Presser berufen sich auf die Regierung und die Regierung sagt, das sey nöthig, die Ordnung unter den Völkern zu erhalten.

...

Wer sind den die, die diese Ordnung unter den Völkern gemacht haben, und die wachen, diese Ordnung zu erhalten? Das eine ist das Kapital und das andere sind die Regierungen. Die Regierung wird gebildet durch seine Volksvertreter. Das andere sind Beamte, die von der Regierung berufen werden, um die Ordnung in Kraft zu erhalten. Ihre Anzahl ist Legion: Staatsräthe und Regierungsräthe, Landräthe und Kreisräthe, Geistliche Räthe und Schulräthe, Finanzräthe und Forsträthe u.s.w. Mit all ihrem Heer von Sekretären u.s.w. Die Völker sind ihre Heerde und sie die vom Kapitalismus bestellten Hirten, Melker und Schinder. Ihnen gebt ihr Abgaben; sie haben dafür die Mühe, euch im Namen des Kapitalismus zu regieren; d.h. sich von euch füttern zu lassen und euch eure Menschen- und Bürgerrechte zu rauben. Sehet nun, was die Ernte eures Fleißes ist.

Die Justiz ist die Hure des Kapitals. Jeden Schritt zu ihr müsst ihr mit Silber pflastern, und mit Armuth und Erniedrigung erkauft ihr ihre Sprüche. Denkt an das Stempelpapier, denkt an euer Bücken in den Amtsstuben, und an euer Wachestehen vor denselben. Denkt an die Sporteln für Schreiber und Gerichtsdiener. Ihr dürft euern Nachbar verklagen, der euch eine Kartoffel stiehlt; aber klagt einmal über den Diebstahl, der vom Kapital jeden Tag am Eigenthum der Völker begangen wird und eine Legion unnützer Volksvertreter sich vom Schweiße der Völker mästet; klagt einmal, dass ihr der Willkür gewissenloser Subjekte überlassen seyd und dass diese Willkür Kapitalismus heißt, deren Freiheit Gesetzlosigkeit ist; klagt, dass die Völker die Ackergäule des Kapitalismus synd; klagt über die verlorenen Völkerrechte: Wo sind die Gerichtshöfe, die diese Klage annehmen? Wo die Richter, die recht sprächen?

Dafür sitzen die Herren des Kapitalismus in Fräcken beisammen und die Volksvertreter kuscheln in ihrem Schoß und die Völker stehen nackt und gebückt vor ihnen. Die Herren legen die Hände an die Lenden und Schultern der Völker, und rechnen aus, wie viel sie noch tragen können, und wenn sie barmherzig sind, so geschieht es nur in dem Maaße, wie man ein Vieh schont, das man noch ferner bei mäßigem Futter zu unmäßiger Arbeit gebrauchen will.

Dafür kriegen eure Söhne einen bunten Rock auf den Leib, ein Gewehr oder eine Trommel auf die Schulter. Mit den Trommeln übertäuben sie die Seufzer der Völker und mit den Kolben zerschmettern sie den Schädel der Völker, wenn die zu denken wagen, dass sie freie Völker sind.

Dafür werden die Volksvertreter aufs Polster gelegt, wenn sie für eine gewisse Zeit dem Kapitalismus gedient haben, d.h. wenn sie eifrige Handlanger bei der regelmäßigen, eingerichteten Schinderei gewesen, die man Kapitalismus und Gesetz heißt.

Könnte aber auch ein ehrlicher Mann jetzo Präsident seyn, so wäre er, wie die Sachen stehn in der Welt, nur eine Drahtpuppe, an der die Wirtschaft zieht und an der zieht wieder das Kapital. In der Welt stehet es jetzt, wie der Prophet Micha Cap. 7, V. 3 und 4: „Die Gewaltigen rathen nach ihrem Muthwillen, Schaden zu thun, und drehen es, wie sie wollen. Der beste unter ihnen ist wie ein Dorn, und der Redlichste wie eine Hecke.“ Ihr müsst die Dörner und Hecken theuer bezahlen.

 

[Zweite Transposition]

Ersetze Kapitalismus durch Finanzwirtschaft!

[Dritte Transposition]

...

© goo, Jan. 2010

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