In Brechts Theaterstück gibt Schweyk eine genauso jämmerliche Figur ab, wie es die aktuelle Politik in Zeiten des Wahlkampfs tut, was nicht weiter verwundert, wird sie doch von den gleichen Opportunisten gemacht, die mit ihrem Logos eher für profane Dinge stehen. Zum Beispiel: Wie bleibe ich Bundeskanzlerin, wie werde ich Bundeskanzler? Das Brecht-Stück "Schweyk im Zweiten Weltkrieg" dreht den Schweyk Hašeks um und erhebt ihn zu einem Prinzip, das auf den Punkt gebracht, in Abänderung eines Zitats von Achternbusch, lauten könnte: Denn wer versteht, der gehorcht und wer gehorcht, der geht unter.
So hat der dumm zur Schau gestellte Opportunismus des Schweyk die Lacher auf seiner Seite, wie einst dumme Sponti-Sprüche, die Grönland z.B. vom ewigen Eis befreien wollten. Doch so, wie dieser Spruch heute in Zeiten der Klimaveränderung eine andere, bittere Qualität bekommt, so wird auch dieser Schweyk in einer anderen Realität enden, die er sicherlich niemals wollte. Wer bestehen will, der darf gerade nicht volkstümlich auftreten, um es mit Brecht zu sagen, denn „das Volk ist nicht tümlich“.
Ein schöner, lange hingezogener Tod wird inszeniert, der die kleinbürgerliche Spießeridylle des „Kelchs“ in einer letzten Halluzination auf die Bühne bringt, währenddessen Schweyk im tiefen, kalten Schnee vor Stalingrad in seinen letzten Zügen liegt. Ein weiteres Mal erklingen die bekannten Plattitüden in der eingespielten Kneipenszenerie. Und endlich offenbaren sie sich in einer Wahrheit, die, als Metapher, wiederum nur am Grunde der Moldau zu finden ist. Das Prinzip Schweyk hat seinen Endpunkt gefunden und sucht sich seine nächsten Opfer. Soweit das Schweyk-Stück.
In einer möglichen Übertragung hingegen wird allerdings nicht mit Waffen gekämpft sondern mit globaleren, stärkeren Mitteln, die effizienter wirken als Sprengstoff. Sind durch die Finanzkrise weltweit fast eine Milliarde Menschen vom Hunger bedroht, so mag das Prinzip Schweyk denjenigen, die heute noch nicht hungern, als geeignete Strategie erscheinen, dies auch weiterhin nicht tun zu müssen. Hat man doch genügend lockere Sprüche parat, um dem Herrschenden ein Lächeln abzuringen, das danach im eigenen Halse stecken bleibt.
Wie wäre es also mit einigen lockeren Sprüchen wie z.B.: Kaffee geholt, Netzwerk optimiert, Polkappen gerettet. Probieren Sie es doch selbst einmal: „Meine blödesten Sprüche“. Vergessen Sie dann aber bloß nicht, sie aufzuschreiben. Man kann ja nie wissen, welche Wahrheit in 30 Jahren sein wird und welche Gültigkeit die Sprüche dann haben werden.
Das Stück ist also sehr zu empfehlen. Für denjenigen, der sich amüsieren will, wird der Volltrottel Schweyk so manches wahre Wort auf der Bühne sprechen und auch die anderen Figuren werden dem nicht nachstehen. Doch Narrenfreiheit genießt der nicht, der sich dem Prinzip Schweyk verpflichtet fühlt. Also beginnt es zu wirken. Und, wenn man nicht gerade schlecht drauf ist, wird unterm Strich ein gelungener Theaterabend herauskommen, bei dem die hervorragenden Songs von Brecht/Eisler keine unwesentliche Rolle spielen.
© goo, Juli 2009