Er rührt die Milch in der Schüssel. Die immer schneller werdende kreisende Bewegung. Den Tornado bemerkt er nicht, der an seinem Haus vorbeifegt. Erst als die Fensterscheiben zerspringen und das Glas bis in die Milchschüssel splittert, dreht er sich um, eilt in den Keller, um Bretter und Nägel zu holen. Er sieht zufrieden aus. Ein lautes Geräusch von zerbrechenden Balken, herausgerissen Steinen und einer explodierenden Gasflasche nimmt er wahr. Er schaut aus der Kellerluke hervor und sieht sein Haus bis auf die Grundmauern abgedeckt. Nur die Schüssel, in der er zuvor die Milch anrühren wollte, liegt auf dem Boden, da wo einst seine Küche war. Er ruft nach Hilfe. Nichts passiert. Er schließt die Luke und geht zurück in den Keller. Die Erde bebt als wollte sie alles verschlingen, was sich noch auf ihr oder nur ein paar Meter unter ihr befindet. Ihn überfällt eine starke Angst. Er sucht sich eine Kellerecke als Versteck. Dort kauert er sich hin und schließt die Augen. Zu Gott betet er nicht, denn er glaubt nicht an ihn. Aber er schreit, so laut, als wollte er seine Angst erschrecken. Das Beben wird stärker. Er fühlt es und die Regale im Keller kippen um. Das Bett seiner Frau, das er hier aufbewahrt, wird in seine Ecke geschleudert und kommt auf den Füßen zum Stillstand. Als würde die Erde ihn zu einem kleinen Nickerchen einladen. Das Bett stellt er kopfüber zu seinem Schutz in die Ecke. Den Rest deckt er mit Brettern ab. Ein Riss wird sichtbar. Die Erde tut sich auf. Der Riss wird größer, bis das Bett, die Bretter und er selbst mit in die Tiefe gerissen werden. Er fällt und nimmt noch im Fallen dieses Licht wahr, das wie eine Funzel weit weg scheint. Als es näher kommt, wird er geblendet. Erst jetzt kommt er wieder zu Bewusstsein. Die Folter spürt er nicht mehr. Das verschafft ihm Erleichterung. Den nächsten Schlag wird er nicht mehr spüren. Das Gebrüll wird er nicht mehr hören. Die Angst wurde totgeschlagen. Jetzt empfindet er ein unendliches Gefühl der Freiheit, weil er sich unverletzlich fühlt. Ein Lächeln umspielt seine Lippen. Als sein Gegenüber das sieht, schlägt er ihn tot.

© GOO Juli 2012

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.