Einmal, als ich an einem kleinen Tisch im Wartesaal eines Kleinstadtbahnhofs saß, um eine kleine Geschichte zu schreiben, kam ein kleiner Herr mit einer kleinen Aktentasche unter dem Arm zur Tür herein und setzte sich ausgerechnet zu mir an meinen kleinen Tisch. Er machte eine höfliche kleine Verbeugung und stellte sich mit kaum wahrnehmbar leiser Stimme vor: Gestatten, Klein mein Name, schreibe kurze Kurzgeschichten. Noch ehe ich hätte antworten können, setzte er sich neben mich auf die kleine Bank und holte ein kleines Schreibheft aus der Tasche. Danach nahm er einen winzigen Kugelschreiber aus einem kleinen Schreibmäppchen und begann, genau wie ich, zu schreiben.
Ich muss zugeben, dass ich ein kleines bisschen neugierig geworden war und heimlich, so dass er es nicht bemerken konnte, auf das sah, was er auf sein Blatt schrieb. So sehr ich mich aber anstrengte, ich sah den kleinen Mann nur winzige Kringel und manchmal einen kleinen Strich auf das klein karierte Papier kritzeln. Und während er dies tat, duckte er seinen Kopf so tief, dass seine spitze kleine Nase beinahe das eben Geschriebene berührte.
Da beschloss ich, ihn unter dem Vorwand, ich benötigte seinen fachmännischen Rat, anzusprechen. Leider passierte mir dabei ein schreckliches Missgeschick. Ich muss ihn mit dem Klang meiner Stimme dermaßen erschreckt haben, dass er mit seiner kleinen spitzen Nase ein Loch ins Papier stieß und kopfüber in seiner gerade begonnenen Kurzgeschichte versank.
Ich bückte mich, so schnell ich konnte, sah den kleinen Mann jedoch weder unter dem Tisch noch war er durch ein Loch im Fußboden verschwunden. Alles, was man als Indiz seiner kurzzeitigen Anwesenheit hätte werten können, war ein Blatt Papier. Ohne lange zu überlegen, berührte ich exakt die Stelle, an der ich ihn wenige Minuten zuvor hatte verschwinden sehen. Wer aber beschreibt das Erstaunen, das mich befiel, als ich feststellen musste, dass das Blatt sich nicht nur als völlig unversehrt , vielmehr auch als gänzlich unbeschriftet erwies?
Um es genauer zu inspizieren, beugte ich mich tief über das Corpus delicti.
Von Stund an hat man auch von mir weder etwas gehört noch gelesen.
© BiO, Veröffentlicht in KULT 29/09, Juni 2009