Im Buchstabenhimmel

Ich bin immer wieder erstaunt, wenn ich im Internet sehe, wie meine eigenen Wortkreationen schon von etlichen Tausend Menschen auf der Welt benutzt worden sind. Natürlich verhält es sich umgekehrt. Deshalb bin ich inzwischen sehr vorsichtig geworden, wenn ich mir neue Namen einfallen lasse. Zuerst einmal im Internet nachschauen, ob es die Wortschöpfung nicht schon gibt.

Etwas nie Dagewesenes muss her. Es soll ein Name für einen Märchenhelden sein. Ein Name, den es noch nicht gibt. Hallo! Wie wäre es mit VINKIDIE? 285 Ergebnisse. Der Held muss einen anderen Namen bekommen. Wie wäre es mit TAHRUK? Nein, die Indianer haben sich da schon etwas einfallen lassen. Ballerspieler werden ebenfalls erfreut sein. HAUDRUFF klingt nicht wie TAHRUK, da wäre HAURUCK schon näher dran. Aber der Kegelklub HAUDRUFF, bestimmt in Hessen ansässig, lässt ebenfalls über das Internet grüßen. Ich verlasse diesen Themenkreis und schenke mir ein S.

SAKINATIVO soll der Name für meinen Helden im Märchen sein. Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Sakinativo heiß. Und tatsächlich: Es wurden keine mit Ihrer Suchanfrage - SAKINATIVO - übereinstimmenden Dokumente gefunden.

Hurra! Ich hab's. War gar nicht so schwer. Aber wie klingt das für einen Helden? SAKINATIVO! Mal ehrlich! Keiner würde einer Person mit einem solchen Namen etwas zutrauen, oder? SAKUNAT wäre doch viel besser. Leider sagt mir das Internet, dass ich mit meiner jetzigen Wortkreation in Indien gelandet bin. Immerhin 2.080 Treffer. Da kann ich nicht mehr von einer eigenen Wortschöpfung reden. Außerdem ist der Name einer Stadt in Indien für mich ungeeignet. Ich muss mich noch mehr anstrengen.

Wie soll er sein? Edel und gut? Nein, dies sicherlich nicht. Unbeholfen soll er sein. Ein Außenseiter, einer, den keiner nur im Geringsten beachten würde. Ein Nichts. Noch nicht einmal jämmerlich – und wenn, dann nur in seiner Nichtigkeit. Schließlich soll ihm die Liebe einer jungen Schönheit zu Teil werden und ihn aus seiner Bedeutungslosigkeit befreien: Aus dem Frosch wird der Prinz.

Der Name soll also leicht wie Luft sein, aber ein Hinweis auf die Tölpelhaftigkeit  sollte ebenfalls nicht fehlen. Ein Tölpel aus Luft oder ein TUFTPEL, LUFPEL, LUFTÖL, TÖLUFPEL. Alles Kappes. Gefällt mir nicht. Da schau ich nicht noch einmal nach, ob es diese Namen schon gibt. (Interessanterweise ergeben die dann doch angestellten Nachforschungen bei LUFPEL eine Affinität zum Türkischen und LUFTÖL ist ein feststehender Ausdruck für Menschen, die einen Druckluftöler haben und daran ihren Druckluftschrauber anschließen wollen.)

Wie dem auch sei, ich gebe nicht auf! Irgendetwas wird mir schon einfallen. AKONAT, klingt wie ein Schnaps aus dem kühlen Norden. Was sagt das Internet dazu? 143.000 Ergebnisse zum Begriff. Was immer auf dieser Welt kreucht und fleucht, ich bin dagegen, dass es AKONAT heißt, ist oder  sein soll. BAKANTOR? Ich schätze, ungefähr 1.000.000 Treffer – und Sie? Tatsächlich aber sind es nur ca. 2000. Soll das etwa heißen, dass ich auf dem richtigen Weg bin? LABANTO etwa? Aber da gehe ich eher von etlichen Treffer im lateinamerikanischen Raum aus. KALIMALI. Das bedeutet, in Anlehnung ans vermutlich Griechische, so viel wie „schönschlecht“. Bringt mir dann auch ca. 88.000 Treffer. Aber wie ist es mit LIKALIMA? Ich komme der Sache näher. Es sind nur noch 442 Treffer. LIMALIKA hat übrigens fast die gleiche Größenordnung. Vielleicht finde ich es noch heraus. Den Zaubernamen, den das Internet noch nicht kennt. Also ist jetzt das N dran. NAPO? 11.000.000 Treffer. Ich bin entsetzt. Es handelt sich um einen Fluss. Die kurzen Namen sind aber auch schwer. NOPA bring ca. 1,3 Millionen Treffer. NONO 27.000.000 Treffer. Herr NEINNEIN ist schon sehr bekannt im Internet.

Der ideale Name müsste einfach länger sein. Fangen Sie gar nicht erst mit YAYO ( ein anderer Name für Kokain ) ZAZO, JEYA oder Ähnlichem an. Nehmen Sie Umlaute. Die gibt es im Internet nur selten. Machen sie aus YAYA – ca. 25 Millionen Treffer – ein YÄYÄ. Dann sind es nur noch 17.000 Treffer.

Es funktioniert!. An das YÄYÄ noch ein -LÖ anhängen, und schon haben ich die Wunderseite wiederentdeckt: „Ergebnisse für: YÄYÄLÖ:

Es wurden keine mit Ihrer Suchanfrage - YÄYÄLÖ - übereinstimmenden Dokumente gefunden.

Vorschläge:

• Vergewissern Sie sich, dass alle Wörter richtig geschrieben sind.

• Probieren Sie andere Suchbegriffe.

• Probieren Sie allgemeinere Suchbegriffe.“

YAYOLÖ, ZAYOLÖ, ZAYOLÄ, MÄYOLÄ, MÜYOLÄ, SÜKOLÄ! Ich finde mich in einen unbekannten Buchstabenparadies wieder, das das Internet noch nie zu Gesicht bekommen hat. Also, auf geht’s. Und die, die ebenfalls auf die Idee kommen sollten, nach einem Namen zu suchen, den es in den verfügbaren Suchmaschinen noch nicht gibt? Die werden sicherlich enttäuscht sein, wenn immer wieder neue Worte das Internet bevölkern und somit das Buchstabenparadies ständig weiter schrumpft.

© GOO, Mai 2011