Gut "geplagt" Gutti oder des Deutschen liebste Kavaliersdelikte: Abschreiben und Steuerhinterziehung
Welches Gefängnis hat sich derjenige erbaut, der zurzeit vom Verteidigungsminister zum Kriegs- und Selbstverteidigungsminister mutiert? Wer nach Gutsherrenart erzogen wurde, das Leben aus vollen Zügen genießen konnte, selbst noch Zeit für eine Doktorarbeit gefunden hat, als man dem Ruf der Politik schon gefolgt war und sich darüber hinaus als Familienvater die Nächte um die Ohren hat schlagen müssen wegen einer über 400 Seiten starken Doktorarbeit mit wahlweise 1200 oder gar 1300 Fußnoten1, wer diesen steinigen Weg gegangen ist, der weiß, was Arbeit ist und der weiß, dass man sich das Leben hart erarbeiten muss.
Herr von und zu G. ist der beliebteste Politiker in der Republik, wenn man den Meinungsumfragen Glauben schenken darf. Vielleicht liegt es daran, dass er sein Leben zur Fußnote hochstilisiert hat: hart in der Entscheidung wie Bismarck, souverän im Auftreten wie ein König, summa cum laude in der Artikulation. Als Zuschauer frage ich mich, was unter der üppigen Verpackung übrig bleibt? Ist die Antwort etwa im Märchen von „Des Kaisers neue Kleider“ zu finden? Schließlich gab es vermutlich zu Andersens Zeiten schon den Kuhhandel der Politiker: Ansehen und Wohlstand hatten mehr Gewicht als die Wahrheit, die keiner wissen will, weil sie immer ans Licht kommt. Vergleiche auch dazu das Emblem der Universität Bayreuth: veritas vincit.
Nein, der charmante Pennäler begegnet mir hinter den treuen Augen eines Herrn von und zu G.. Gerade schreibt er von seinem Nachbarn ab und lacht dabei den Lehrer an, als der ihm die Arbeit abnimmt, denn: die Absicht zu täuschen hatte unser Musterschüler nicht. Es hat sich einfach so ergeben. Er entschuldigt sich für seinen gravierenden Fehler von ganzen Herzen. Alles andere wäre üble Nachrede. "No scholae sed vitae discimus" war vielleicht auch der Wahlspruch des Gymnasiums, auf dem Herr von und zu G. das Leben lernte. Ergo: intelligent ist nur der, der mit minimalem Aufwand den maximalen Effekt erreicht! Darüber sind in unserer Zeit etliche Bücher geschrieben worden, nicht zuletzt aus dem Grund, um den auf die Spitze getriebenen, verlogenen Leistungskult der bildungsbürgerlichen Gesellschaft ad absurdum zu führen. Warum sollten mich all die ehrenhaften Herren in der Schule dann anders beurteilen als ich mich selbst? „Ich werde mir keine anderen Maßstäbe anlegen, als ich bei anderen angesetzt hätte.“2
Welche Ehrenhaftigkeit weht uns hier entgegen. Dies kann man nur als Herr von und zu G. gelernt haben. All den Straßenkinder dieser Erde werden diese Einsichten verborgen bleiben. Oder täusche ich mich da? Schließlich hat Herr von und zu G. uns nicht mitgeteilt, welche Maßstäbe er denn meinen könnte! Um also auf die erste Frage zurückzukommen (in welchem Gefängnis derjenige sitzt, der gerade in der Öffentlichkeit einen Mutationsprozess vollzieht), muss man sicherlich das Mauerwerk näher unter die Lupe nehmen. Vielleicht treten dann die Maßstäbe zu Tage, die den Mörtel all dessen bilden, was die Gefängnismauern endgültig zusammenhält. Viel kann es nicht sein, denn die bürgerliche Gesellschaft ist ebenso brüchig wie es die feudale Gesellschaft war. So wird die Ehre sich sicherlich nicht als fest genug erweisen, die Mauern zu tragen.
Plato wusste, dass der Mensch sich als Maß aller Dinge betrachtet. Und das ist nun einmal eine Einstellung nach Gutsherrenart: Warum sollte ich nicht abschreiben, ich habe nichts dagegen, wenn andere es tun. Schließlich hat man als Kopist einen Namen zu verteidigen. War es nicht Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg, der im 15. Jahrhundert zu Mainz den Buchdruck erfand und damit zahllosen Kopisten Tür und Tor öffnete?
Sicherlich gibt es bessere ethische Grundsätze, wie z. B.: was du nicht willst, das man dir tu, das füg‘ auch keinem anderen zu. Also: Wenn du nicht beherrscht werden willst, dann beherrsche keine anderen. Wenn du nicht belogen werden willst, dann belüge auch keine anderen. Klingt gut, kommt schließlich von Kant und wird heute noch als Eigenleistung diesem Philosophen zugeschrieben. Aber ist das wirklich so?
Doch zurück zum Gefängnis, in das sich unser Herr G. freiwillig begeben hat, das Verteidigungsministerium: „Die Menschen in diesem Land erwarten, dass ich mich um das fordernde Amt des Verteidigungsministers mit voller Kraft kümmere und das kann ich auch.“3
Hier spricht die heroische Kraft eines Herkules zu uns, der zwar sein Schicksal nicht kennt, sich dafür allerdings hervorragend selbst einschätzen kann. Stellt sich nur die Frage, welches Schicksal diese Kraft zu erfüllen hat? In der Physik gibt es zwei Sorten von Kräften: Kräfte, die mit zunehmenden Abstand abnehmen und solche, bei denen es genau umgekehrt ist. Die zweite Kraft ist wohl diejenige, die dem Gefangenen zurzeit arg zusetzt: Je weiter er sich vom Plagiatsvorwurf entfernen will, umso größer wird der Druck der medialen Öffentlichkeit: Fehler sollte er nicht eingestehen. Sie lassen immer Rückschlüsse auf die Amtsführung zu. Zurück also zu den ehrenvollen Aufgaben: dem deutschen Volke mit all seiner Kraft zu dienen! Raus aus dem Schussfeld, hinein in die Arbeit. Denn der deutsche Bürger weiß, was wirklich adelt: die Arbeit, weil sie kein Zuckerschlecken ist.
Nun hat Herr von und zu G. einen eigenen Kopf, denn Gutsherr ist man nicht nur im eigenen Haus, insbesondere dann nicht, wenn die Mannschaft in B. so jämmerlich ist, dass es keiner Anstrengung bedarf, Erster unter Letzten zu sein. Wirtschaftsminister hat er in zwei Wochen gelernt. Justizminister wäre er sicherlich summa cum laude geworden. Die Tugenden des Adels prädestinieren ihn als Verteidigungsminister. Anders gesagt: der Herr von und zu G. in B. kann für andere Verantwortung tragen, weil er too big to fail geworden ist. Sicherlich klingt es nicht nur ehrenwert, wenn man die Verantwortung für andere trägt. Es ist auch viel einfacher, sich für andere verantwortlich zu zeigen, insbesondere dann, wenn man sie gar nicht kennt?
Für die Größe meines Gefängnisses bin ich selbst verantwortlich! Fehler machen alle: errare humanum est. Also bin ich nicht für meine Fehler verantwortlich. Was nicht heißt, dass mich andere für meine Fehler verantwortlich machen können. Man überlege nur, welche Auswirkungen ein Lex Guttenberg für zukünftige Dissertationen hätte: die Welt will betrogen sein; cosi fan tutti, der Guttenberg hat es auch gemacht und seinen Doktor behalten! Kurz: den Doktortitel könnte man unter diesen Umständen besser gewinnbringend an den Meistbietenden versteigern. Aber sind die Zustände nicht schon so? Ist der Ruf der deutschen Universitäten nicht zuletzt durch Herrn von und zu G. dauerhaft geschädigt worden? Ist Herr von und zu G. in B. etwa nur die Spitze eines Eisbergs? Nächster Vorschlag: die Doktorarbeit von Frau Schröder. Ja, genau die! Ihres Zeichens Familienministerin. Schließlich leben wir in und von der Bildungsrepublik, jedenfalls dann, wenn man den Politikern glaubt.
Unterdessen verstrickt sich Herr G. immer weiter in Widersprüche. „ Meine von mir verfasste Dissertation ist kein Plagiat, und den Vorwurf weise ich mit allem Nachdruck von mir.“4. So entspricht diese Aussage mehr einer Wahrheit, wenn sich herausstellte, dass Geisterschreiber von den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages Passagen seiner Arbeit zu Papier gebracht haben.
Das Aufpolieren seines eigenen Bildes ist immer mit Schwierigkeiten verbunden. Es tritt in diesem Prozess nicht nur der gewollte Schein deutlicher zutage sondern auch das ungewollte Sein. Hier helfen Herrn von und zu G. nicht die geschlossenen Augen vor ausgewähltem Publikum, sein Sein zu verschleiern. Hat der Eine oder der Andere seines Schlages nicht seine Ehre nur noch mit der ultima ratio verteidigen können? Doch davon ist Herr von und zu G. noch weit entfernt, denn er hat den Charme eines Felix Krull und versinkt nicht direkt vor Scham in den Boden, nur weil er ein wenig geflunkert hat. Wenn alle Stricke reißen, dann bietet er den Rücktritt an: schließlich ist er in B. unersetzlich geworden und kann auch dann noch Karriere machen, wenn er nackt ist, eben wie der Kaiser, der seine neuen Kleider zur Schau stellt. Da frage ich mich, ob das seiner Eigenleistung oder den Verhältnissen in B. geschuldet ist. Sie wissen sicherlich, auf welche Seite ich mich geschlagen habe. Also Herr von und zu G. in B.: Unter vier Augen gesprochen! Haben Sie die Doktorarbeit wirklich selber geschrieben?
Gerade kommt meine Frau herein. Das schreibt Christian Bommarius in der Berliner Zeitung auch! Was? Das mit dem Felix Krull. Und das mit dem gepamperten Muttersöhnen schreibt Frau Fehrle in derselben Ausgabe! Ich bin enttäuscht! Was soll ich machen? Aber ich glaube, in diesem Fall muss ich nicht zitieren. Schließlich handelt es sich nur um einen Eindruck und weniger um eine wissenschaftliche Erkenntnis.
© GOO, Feb. 2011
Weitere Links zur Causa Guttenberg:
http://offenerbrief.posterous.com/causa-guttenberg-offener-brief-von-doktorande
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Beide Versionen waren aus dem gräflichen Mund bereits zu vernehmen
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Guttenbergs Stellungnahme im Wortlaut, aus Zeit Online, 18.02.2011
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