Annie Leibovitz, geboren 1949, begann schon mit 21 Jahren ihre Karriere als Fotografin. Was treibt einen Menschen dazu, die Welt in Bildern festzuhalten? Was verbirgt sich hinter den Bildern, die sich in der Ausstellung als großflächige Schwarz-Weiß-Portrait-Fotos präsentieren oder aber als Farbfotos, die zum größten Teil Personen in Szene setzen?

 

Ausstellung in Berlin

 

Eine Künstlerin, die in inniger Beziehung zur feministischen Schriftstellerin Susan Sontag lebte? Dies ist offensichtlich, sieht der Besucher in der Ausstellung auf den Fotos aus den Jahren 1990 – 2005 immer wieder die Schriftstellerin. Die Fotografin, die hinter den Bildern steht, gibt sich so zu erkennen. Und wie sieht es mit dem Weltbild aus, das hinter der Fotografin steht?

Eine Affinität zur Macht kann Annie Leibovitz sicherlich abgesprochen werden. Auf mich wirken die Bilder, die sie von einigen Mächtigen ihres Landes gemacht hat, eher obszön, tragisch oder einfach lächerlich. Bestenfalls geben sie dem Betrachter zu verstehen, dass die so Abgelichteten aussehen wie du und ich, sobald sie der Insignien der Macht beraubt sind.

So sehe ich auch in den Portraits der Hollywood-Größen eher die Inszenierung glanzloser Persönlichkeiten, die nur durch ein kunstvolles Arrangement der Fotografin in Szene gesetzt werden. Trotzdem werden einige Fotos für mich zum Genuss, wenn sie abseits aller Prominenten etwas inszenieren, einen Blick auf das gestatten, was sich hinter dem Hintergrund verbirgt. Eine großflächige Schwarz-Weiß-Fotografie in einem Nebenraum im ersten Stock des Alten Postfuhramtes in der Oranienburger Straße passt jedenfalls nicht in dieses Bild. Wenn man die Ausstellung verlässt, wird sich der Besucher vielleicht an diese Fotografie erinnern. Denn kurz vor dem Ausgang findet man viele Bilder, die das Motiv: Frau mit Stuhl zeigen.

Ein solches Foto, wie es die Leibovitz gemacht hat, habe ich in dieser Art noch nie gesehen: eine sehr hagere Frau, auf einem Stuhl sitzend, nimmt selbst die Form des Stuhles an. Dass Form und Licht in der Schwarz-Weiß-Fotografie am besten abgebildet werden, wird hier besonders deutlich. Sind das die Fotos, die die Weltanschauung der Fotografin mit in den Raum tragen? Sicherlich würde Frau Leibovitz darüber lachen, weil sie das künstlerische Traktat eines Oscar Wilde kennt: „All art is at once surface and symbol. Those who go beneath the surface do so at their peril. Those who read the symbol do so at their peril.“. (Oscar Wilde, The Picture of Dorian Grey)

Ein anderes Farbfoto fiel mir auf, als ich im ersten Stock der Ausstellung war. Es hätte das Plakat zu einem Film sein können. Es zeigt ein Frau hinter dem Steuer eines Autos, neben ihr ein Mann, beide blicken in den Rückspiegel und das Ganze ist durch die Windschutzscheibe fotografiert. Die Augenpositionen beider geben zu erkennen, dass sie nicht einen dritten Gegenstand im Rückspiegel betrachten, sondern sich gegenseitig anschauen. Ja, das mag ich, wenn die Gesellschaft, die sich selbst nicht mehr in die Augen schauen kann, dies nur noch über Hilfsmittel bewerkstelligen kann!

Annie Leibovitz ist sicherlich keine unpolitische Frau. Ein Foto, das nichts als Blutspuren an einer ansonsten geweißten Zimmerwand einer Schule in Ruanda zeigt, wird der Besucher ohne viel Mühe richtig einzuordnen wissen. Für mich sind solche Fotos problematischer, weil sie die eigene und die Ohnmacht aller widerspiegeln. Dies wird besonders deutlich, wenn es sich um die eigene Regierung handelt. Die durch die Bush-Regierung genehmigte, alle Vorstellungen von Menschenrechten verspottenden Folterungen in Guantánamo gehören sicherlich für einige Amerikaner genauso dazu, wie das militärische Engagement der Bundeswehr in einem Krieg in Afghanistan für einige Deutsche.

Doch wer dort rührt, wo nicht gerührt werden darf, der muss noch anderes anzubieten haben. Und darin sind wir uns – meine Frau und ich – dann doch einig: Abseits aller Trivialitäten, die dem Publikum heute vielleicht nur noch zuzumuten sind, findet man Kontemplatives in einem Raum, ebenfalls im Obergeschoss, der sehr großflächige Schwarz-Weiß-Fotos von Landschaften in Arizona enthält, die einst Max Ernst in all seiner Bizzarheit auf Leinwand verewigt hat. Hier gab es zwischen uns beiden auch keine Diskussionen mehr. Das Bild mit den Birken ist es! Es hat die Schöpferkraft des Göttlichen und macht Unbewegliches beweglich. So bleibt dem Betrachter das Bild einer leidenschaftlichen Fotografin, an deren Fotos er sich gern erinnern wird.

 

C|O Berlin

Annie Leibovitz

A Photographer's life 1990 – 2005

February 21 ST – May 24 TH 2009

© goo, Mai 2009

 

 

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.